Das bedingungslose Grundeinkommen als postpatriarchales Projekt

Das bedingungslose Grundeinkommen als postpatriarchales Projekt
Erstes Gespräch über das bedingungslose Grundeinkommen (Frühjahr 2012)

Beate Fehle: Ina, du bist seit ein paar Wochen Mitfrau in dem nationalen Initiativkomitee, das am 21. April 2012 in der Schweiz die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen lancieren wird. Warum hast du dich für dieses Engagement entschieden?

Ina Praetorius: Schon seit vielen Jahren denke ich immer wieder über das Projekt eines bedingungslosen Grundeinkommens nach. Im Jahr 2004 haben wir, die Gruppe „Gutesleben“ einen Text dazu ins Netz gestellt, den wir im Anschluss an unser erstes postpatriarchales Symposion in Salzburg (30. August bis 1. September 2002) gemeinsam geschrieben haben. Dieser Text wird erst jetzt, nach acht Jahren, in einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Einigen Leuten ist er aber immer noch viel zu kompliziert…

Beate Fehle: Zu kompliziert?

Ina Praetorius: Ja. Es gibt in der wachsenden Bewegung für das leistungsunabhängige Grundeinkommen viele Leute, vor allem jüngere Männer, die das Modell Grundeinkommen als eine Art „Befreiungsschlag“ empfinden und propagieren. Sie verknüpfen es vor allem mit einem unrevidiert patriarchalen Freiheitsbegriff und vermitteln so den Eindruck, dass alle Leute, wenn das Grundeinkommen erstmal da ist, tun und lassen können, was sie wollen. Dieser etwas cowboyhaft anmutenden Sichtweise widersprechen wir mit unserem Text. Und das empfinden dann Menschen, die daran gewöhnt sind, andere für sich sorgen zu lassen, als unnötig kompliziert. Wir gehen aber einfach von Anfang an von der Feststellung aus, dass es immer viel notwendige Arbeit zu tun gibt, egal, wie das Geld verteilt wird. Also Arbeit, die Menschen tun müssen, ob sie wollen oder nicht: Windeln wechseln, Betten beziehen, Klos putzen, Müll entsorgen, Ställe ausmisten, abstauben, Hausaufgaben betreuen, Krisensituationen gemeinsam bewältigen, Essen kochen, Abwasserkanäle sanieren und so weiter. Wir sind und bleiben ja alle als Menschen geborene, verletzliche,scheissende, alternde Wesen…

Beate Fehle: Was bedeutet das: „ein unrevidiert patriarchaler Freiheitsbegriff“?

Ina Praetorius: Unsere westliche Gesellschaft – und nicht nur sie – ist Erbin einer patriarchalen Sklavinnen- und Sklavenhaltergesellschaft. Im alten Griechenland, das man oft als die „Wiege des Abendlandes“ bezeichnet, war es Ehrensache für die freien männlichen Bürger, die „niederen“ Versorgungsarbeiten von Sklavinnen, Sklaven, Ehefrauen, Kindern und AusländerInnen erledigen zu lassen. Auf diese Weise entlasteten sich auch die Philosophen, zum Beispiel Platon und Aristoteles, vom so genannten Alltagskram. Und sie haben dann diese ihre herrschaftliche Lebensform durch eine Theorie gerechtfertigt, in der sie klar zwischen höheren und niederen Sphären und Menschenarten unterschieden. Aristoteles zum Beispiel drückt es in seinem Buch „Politik“ so aus: „… Die Seele regiert über den Körper in der Weise eines Herrn und der Geist über das Streben in der Weise eines Staatsmannes oder Fürsten. Daraus wird klar, dass es für den Körper zuträglich ist, von der Seele beherrscht zu werden. … Desgleichen ist das Verhältnis des Männlichen zum Weiblichen von Natur so, dass das eine besser, das andere geringer ist, und das eine regiert und das andere regiert wird. … Die Wissenschaft des Herrn ist … diejenige, die die Sklaven zu verwenden weiss. Denn der Herr zeigt sich … im Verwenden von Sklaven …  und die Herren selbst treiben Politik oder Philosophie.“ (Aristoteles, Politik, München 1973, 53, 56) „Freiheit“ bedeutet in diesem Weltbild, dass der Mann, der sich schon bald als „Mensch“ missversteht, sich „unabhängig“ wähnt, weil er über einen Hausstand und das entsprechende Dienstpersonal verfügt. Und eben dieser elitäre Freiheitsbegriff, der genau besehen auf Herrschaft über vermeintlich von Natur aus „niedere“ Menschen und Lebensbereiche beruht, hat sich bis heute gehalten, obwohl man seit Immanuel Kant behauptet, die „Menschenwürde“, also Selbstzwecklichkeit sei allen angeboren. Wer nun sagt, mit dem Grundeinkommen könnten alle „tun, was sie wollen“, gibt zu erkennen, dass er oder sie noch diesem veralteten Freiheitsbegriff verhaftet ist, dass er also stillschweigend damit rechnet, dass irgendwelche andere Leute „den Dreck schon irgendwie wegmachen werden“. Begünstigt wird diese noch sehr verbreitete Einstellung dadurch, dass die Bereiche, in denen die notwendige Arbeit geleistet wird – Haushalte, Alters- und Pflegeheime, Landwirtschaftsbetriebe, Müllabfuhr, ehemalige Kolonien und so weiter – noch nicht im Zentrum dessen angekommen sind, was man „Wirtschaft“ nennt. Sie werden ausgeblendet, oft ganz unsichtbar gemacht, an sogenannt „ehrenamtlich“ Tätige delegiert, schlecht oder gar nicht bezahlt oder als „Dreckarbeit“ diffamiert, die niemand machen will. Wir von der Gruppe „Gutesleben“ haben kürzlich beschlossen, dieser vieldimensionalen Verdrängung offensiv zu begegnen, indem wir eine „Scheissologie“entwickeln. Das heisst: eine Theorie, Ökonomie und Ethik all der Bereiche, in denen der Umgang mit den realen stinkenden Hinterlassenschaften von Menschen und Tieren eine Rolle spielt und die man auch heute noch gern Frauen oder modernisierten Sklaven überlässt.

Beate Fehle: Und wie sähe nun das revidierte Verständnis von Freiheit aus, das dem Projekt des bedingungslosen Grundeinkommens zugrunde liegen müsste?

Ina Praetorius: In Wirklichkeit gibt es für Menschen keine „Unabhängigkeit“ im strengen Sinne. Wir sind alle zumindest von Luft, Wasser, Erde, Tieren und Pflanzen abhängig, und natürlich voneinander. Freiheit gibt es deshalb nur im Sinne von Gestaltungskraft in bleibender Abhängigkeit. Auch darüber haben wir nach dem Salzburger Symposion schon einiges geschrieben, zum Beispiel im Jahr 2005 ein Buch, das den Untertitel „Die Weltsicht der Freiheit in Bezogenheit“ trägt. Wir wollten aus den Aufsätzen, die in diesem Buch versammelt sind, eigentlich ein Themenheft der Fachzeitschrift„Evangelische Theologie“ machen. Damit sind wir aber interessanterweise abgeblitzt. Offensichtlich sind viele Theologen noch nicht bereit, ihr gewohnheitsmässig salbungsvolles Gerede von der menschlichen Angewiesenheit so zu verstehen, dass mehr sichtbar wird als der „Herr oben im Himmel“, von dem wir angeblich alle abhängen. – Wichtig am postpatriarchalen Freiheitsbegriff ist vor allem, dass wir Freiheit nicht mehr als Gegensatz zu Abhängigkeit und Bezogenheit denken, dass wir also Ernst machen mit der Tatsache, dass alle Menschen vom ersten bis zum letzten Tag ihres Lebens frei und abhängig zugleich sind. Frei zu sein bedeutet dann, dass jeder und jede das unverwechselbar Eigene, das er oder sie mit der Geburt geschenkt bekommen hat, ins „Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten“ (Hannah Arendt, Vita Activa, 1958) einflechten kann wie einen Faden von einmaliger Farbe und Konsistenz.

Beate Fehle: Warum beteiligst du dich an einem politischen Projekt, das in einem so zentralen Punkt nicht deine postpatriarchale Weltsicht voraussetzt?

Ina Praetorius: Weil ich auf den steten Wandel der Wirklichkeit vertraue und den Leuten, die die Grundeinkommensidee vertreten, Neugier, Zuhörbereitschaft und Lernfähigkeit zutraue. Tatsächlich lässt sich in den vielen Büchern, Filmen, Postings, Blogs und so weiter, die in den letzten Jahren zum Thema erschienen sind, schon ein Wandel erkennen, hin zu einer Weltsicht der Freiheit in Bezogenheit. Götz Werner, Enno Schmidt, Daniel Häni und wie die Helden der Bewegung alle heissen, sprechen inzwischen schon manchmal vom Kloputzen und ähnlichen Tätigkeiten, oft auf eine sympathisch unverkrampfte Weise. Wenn es nun gilt, das realpolitische Unternehmen einer Volksinitiative auf die Beine zu stellen, dann erhöht sich der Druck, wirklichkeitsgerecht zu argumentieren. Denn ohne die Stimmen derer, die der Grundeinkommensidee gegenüber heute noch skeptisch sind, ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Immerhin machen die Frauen mehr als 50 Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung aus. Und auch die ländlich-bäuerliche Bevölkerung, die man von den urbanen Zentren aus oft nicht zur Kenntnis nimmt, belächelt oder romantisiert, ist in der Schweiz noch eine starke Kraft.

Beate Fehle: Warum gibt es so viele Frauen, und gerade Feministinnen, die das Projekt nicht unterstützen?

Ina Praetorius: Eben deshalb: weil sie mit guten Gründen befürchten, dass es ein Projekt urbaner Jungmänner ist, die alle Künstler werden wollen und vorhaben, mit dem Grundeinkommen die Hausfrauen und alle anderen, die bisher gratis oder schlecht bezahlt die notwendigen Versorgungsarbeiten geleistet haben, mit einem Minimum abzuspeisen. Diesen Widerstand der Frauen nehme ich sehr ernst. Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass das Grundeinkommen als „Hausfrauenlohn“ missverstanden wird und so die herkömmliche Arbeitsteilung nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar zementiert wird. Die Hausfrauen (und wenigen –männer) könnten ja mit dem Grundeinkommen nicht mehr behaupten, sie arbeiteten ganz unbezahlt, und würden damit in ihrem Kampf um Anerkennung geschwächt. Das Grundeinkommen ist aber kein Hausfrauenlohn, sondern erkennt an, dass alle Menschen in einer arbeitsteiligen Geldwirtschaft ein gewisses Quantum an Geld brauchen, um leben und frei entscheiden zu können, wie sie sich ins Zusammenleben einbringen wollen. Ebenso wenig wie für klassisch Erwerbstätige bedeutet das Grundeinkommen für Haushaltsarbeiterinnen und –arbeiter eine Honorierung ihrer Arbeit. Vielmehr stellt es für alle eine neuartige Verhandlungsbasis dar, von der aus, idealtypisch gesprochen, alle gemeinsam neu entscheiden, wie die verschiedenen Tätigkeiten zwischen den verschiedenen Menschen – Frauen, Männern, Jungen, Alten, Kindern, Einheimischen, MigrantInnen und so weiter – verteilt werden sollen. Zum Beispiel ist vorerst nicht klar, wie die klassischen „Zuverdienste“ von Müttern, die heute als Nachhilfelehrerinnen, Katechetinnen oder Putzhilfen mit Teilzeitarbeit oder auf Honorarbasis erwerbstätig sind, honoriert werden sollen, wenn das Grundeinkommen da ist. Da besteht grosser Diskussionsbedarf.

Beate Fehle: Alles in allem eine anspruchsvolle Aufgabe…

Ina Praetorius: Ja, und genau deshalb gefällt sie mir. Wir Feministinnen sind ja, mit guten Gründen, sehr versiert darin, uns über die Ungerechtigkeiten zu beklagen, die die Männergesellschaft den Frauen zugefügt hat und nach wie vor zufügt. Tatsächlich ist es ein Skandal, dass Frauen durchschnittlich immer noch schlechter bezahlt werden als Männer, dass mehr als die Hälfte der gesellschaftlich notwendigen Arbeit von mehr Frauen als Männern gratis geleistet wird, und dass deshalb Frauen und Kinder weltweit überdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Das sind alles Folgen der patriarchalen Weltsicht, mit der man Frauen zu stummen Dienstleisterinnen gemacht und Fürsorgearbeit nicht als Arbeit, sondern als „Natur der Frau“ oder „Mutterliebe“ wahrgenommen hat. Es ist sehr wichtig, solche Zusammenhänge nicht um des lieben Friedens willen zu verschweigen oder zu früh als nicht mehr wirksam auszugeben. Trotzdem meine ich, dass wir heute und hierzulande an einem Punkt angelangt sind, an dem es nicht mehr glaubwürdig ist, wenn wir uns weiterhin als hilflose Opfer des Patriarchats verstehen, die darauf angewiesen sind, dass die Unterdrücker ihnen massgeschneiderte Lösungen innerhalb des herkömmlichen Systems der Geldverteilung präsentieren. Immerhin hatten wir in der Schweiz schon einmal eine Frauenmehrheit in der Regierung, und im nördlichen Nachbarland regiert seit einigen Jahren erfolgreich eine Frau. Da scheint es mir nicht mehr vermittelbar, wenn wir so tun, als könnten Frauen die Zukunft des Zusammenlebens nicht aktiv gestalten. Das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens rechnet nun eben nicht mit passiven Opfern, sondern mit mündigen Bürgerinnen und Bürgern, die fähig sind, über die Gestaltung ihres Zusammenlebens von sich selbst und ihren Wünschen nach Wohlbefinden ausgehend zu verhandeln. Ja, das ist anspruchsvoll, denn Verhandeln braucht Geschick, eine gute theoretische Grundlage, Ausdauer und Standfestigkeit. Wenn nun aber Frauen, Männer und andere nicht mehr dem Geld hinterher rennen müssen, um überhaupt überleben zu können, dann können sie anfangen, ihre Energien auf die Entwicklung einer solchen Verhandlungskultur zu konzentrieren. Und auf die anspruchsvolle Frage, was ihre je unverwechselbaren Aufgaben in dieser Welt sind.

Beate Fehle: Wie stellst du dir deine Arbeit im Initiativkomitee konkret vor?

Ina Praetorius: Ich wette, dass es mir und uns gelingen wird, das bedingungslose Grundeinkommen als postpatriarchales Projekt in dem Sinne, wie ich es gerade skizziert habe, zu profilieren. Das wird viel Arbeit und viel Spass machen. Sinnvoll wäre zum Beispiel eine Frauenkonferenz, in der wir uns ausführlich mit den Einwänden der Gegnerinnen und Skeptikerinnen auseinandersetzen. Ausserdem ist es wichtig, dass wir die Argumentarien, mit denen wir auf die Strasse gehen, um die Leute zu überzeugen, von vornherein im Sinne der Weltsicht der bezogenen Freiheit formulieren. Dazu wäre wahrscheinlich eine Art postpatriarchaler Crashkurs für Unterschriftensammlerinnen und –sammler sinnvoll. Zum Glück sind auch die Männer im Initiativkomitee überzeugt, dass es vorerst nicht in erster Linie darum geht, Recht zu haben und einen Kampf zu gewinnen. Es geht in den kommenden Jahren vielmehr darum, eine breite Debatte zu führen, in der tief verankerte Grundüberzeugungen ins Wanken geraten werden. Insbesondere die Überzeugung, dass Arbeit nur ist, was Geld einbringt, und dass alle Menschen ausser mir geborene Nichtsnutze sind, die nur dann tätig werden, wenn man ihnen Existenzangst einjagt und „monetäre Anreize“ bietet. Genau diese postpatriarchale Debatte um eine gemeinsame gute Zukunft, meine ich, liegt in der Konsequenz dessen, was wir seit vielen Jahren als Feministinnen fordern. Jetzt, in einer Zeit, in der vielen Leuten klar wird, dass die herkömmlichen Methoden, Geld, Güter und Wohlbefinden zu verteilen, gescheitert sind, können wir diese Debatte endlich beginnen.

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2 Kommentare

  1. Starosczyk

     /  September 11, 2013

    Grüß Dich Ina Praetorius

    Ich finde es auch wichtig, sich die Zeit zu nehmen und Räume zu schaffen, um über Sachverhalte zu reden, die uns wichtig sind. Die Freiheit des Menschen besteht – habe ich Dich so verstanden – in der Art und Weise der Gestaltung. Mir schweben Gespräche von Denkumenta 2013 im Kopf, in denen gesagt wurde: „BGE kann nicht als die Lösung betrachtet werden.“ Einverstanden. Trotzdem, BGE wäre aus meiner Sich ein wichtiger Schritt, den unerträglichen Zustand des ausgehenden Patriarchats zu entschärfen. Ich habe grade ein Teil Deiner Auseinandersetzung mit diesem Thema vor mir liegen „Das bedingungslose Grundeinkommen als postpatriarchales Projekt“ (https://inabea.wordpress.com/category/bge-gesprache/page/17/) Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass es keinen Sinn macht, einfach das Projekt BGE über die Bühne zu bringen. Nachdenken und Erspüren sind die tragfähigen Grundlagen einer Auseinandersetzung. So brauchen wir Zeit – wir müssen sie uns nehmen – um diesem Projekt auf die Beine zu verhelfen.

    Du hast mittlerweile wichtige Erfahrungen mit diesem Thema gemacht und stellst Dich der Auseinandersetzung. „Ja. Es gibt in der wachsenden Bewegung für das leistungsunabhängige Grundeinkommen viele Leute, vor allem jüngere Männer, die das Modell Grundeinkommen als eine Art „Befreiungsschlag“ empfinden und propagieren. Sie verknüpfen es vor allem mit einem unrevidiert patriarchalen Freiheitsbegriff und vermitteln so den Eindruck, dass alle Leute, wenn das Grundeinkommen erstmal da ist, tun und lassen können, was sie wollen.“ Ich hätte grundsätzlich nichts dagegen, wenn ich machen könnte, was ich will. Die Freiheit des Menschen geht allerdings immer Hand in Hand mit der Abhängigkeit/Bezogenheit, daher wird das Wollen von Müssen begleitet. Wo in der Geschichte die Autarkie-Töne hochschlagen, werden die Rufe nach Grenzen immer lauter.

    „Unsere westliche Gesellschaft – und nicht nur sie – ist Erbin einer patriarchalen Sklavinnen- und Sklavenhaltergesellschaft. Im alten Griechenland, das man oft als die „Wiege des Abendlandes“ bezeichnet, war es Ehrensache für die freien männlichen Bürger, die „niederen“ Versorgungsarbeiten von Sklavinnen, Sklaven, Ehefrauen, Kindern und AusländerInnen erledigen zu lassen.“ Mir fällt dazu ein, dass diese Männer-Herrschaft infolge der weiteren 2 000 Jahre der westlichen Geschichte durch die „Legitimations-Macht des dreifach männlichen Gottes“ fortgesetzt wurde. Zeus gebar seine Tochter Athene aus dem Kopf und der Gott Vater erschuf später die Welt. Obwohl mir bei diesem Thema mittlerweile Lach-Falten am Gesicht erscheinen, ist dieses Thema ernst zu nehmen. Die unterschwellige Angst – verbunden mit dem alles sehenden Vater und seinem Kumpel dem Teufel sitzt immer noch vielen Menschen tief unter der Haut. Die Kirchen sind mittlerweile längst nicht so voll wie noch vor ein paar Jahren, aber 2 000 Jahre dauernde patriarchalische Sozialisation hinterlässt tiefe Wunden im Leben der Menschen.

    Die christliche Mutter Gottes in Jargon der Bibel liefert ein Bild einer Frau, die als Dienerin und Mag des Herrn (des Mannes) ihre Tage fristet. Und wie viele Frauen hocken immer noch in diesem „Club“?! Du redest Ina von der notwendigen Arbeit. Die notwendige, unbezahlte Arbeit – hier denke ich u. a. an Haushalt und Familie – wird in erster Linie von Frauen geleistet. Das bedingungslose Grundeinkommen würde diese Arbeit bestimmt nicht angemessen entgelten. „Vielmehr stellt es für alle eine neuartige Verhandlungsbasis dar, von der aus, idealtypisch gesprochen, alle gemeinsam neu entscheiden, wie die verschiedenen Tätigkeiten zwischen den verschiedenen Menschen – Frauen, Männern, Jungen, Alten, Kindern, Einheimischen, MigrantInnen und so weiter – verteilt werden sollen.“ So würde mein Wunsch, dass Frauen und Männer einander auf Augenhöhe begegnen, in der Realität ein Stück näher rutschen!

    „Das Grundeinkommen ist aber kein Hausfrauenlohn, sondern erkennt an, dass alle Menschen in einer arbeitsteiligen Geldwirtschaft ein gewisses Quantum an Geld brauchen, um leben und frei entscheiden zu können, wie sie sich ins Zusammenleben einbringen wollen. Ebenso wenig wie für klassisch Erwerbstätige bedeutet das Grundeinkommen für Haushaltsarbeiterinnen und –arbeiter eine Honorierung ihrer Arbeit.“ Wenn Frauen und Männern, die zuhause unentgeltlich tätig sind, mindestens das Elementarste zugesichert wäre, könnten sie kreativ und frei-schöpfend tätig werden. Bis jetzt – wie wir es in unserer patriarchalischen Gesellschaft erlebt wird – muss die zuhause tätige Person mit ihrer unbezahlten Arbeit die Taschen der kapitalistischen Patriarchen mit ihren Gattinen stopfen!

    „Wir Feministinnen sind ja, mit guten Gründen, sehr versiert darin, uns über die Ungerechtigkeiten zu beklagen, die die Männergesellschaft den Frauen zugefügt hat und nach wie vor zufügt. Tatsächlich ist es ein Skandal, dass Frauen durchschnittlich immer noch schlechter bezahlt werden als Männer, dass mehr als die Hälfte der gesellschaftlich notwendigen Arbeit von mehr Frauen als Männern gratis geleistet wird, und dass deshalb Frauen und Kinder weltweit überdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Das sind alles Folgen der patriarchalen Weltsicht, mit der man Frauen zu stummen Dienstleisterinnen gemacht und Fürsorgearbeit nicht als Arbeit, sondern als „Natur der Frau“ oder „Mutterliebe“ wahrgenommen hat.“ An dieser Stelle möchte ich in Erinnerung rufen: Die heilige Anna (von hebr.: חַנָּה, Hanna; griech.: Αννα) war laut mehreren apokryphen Evangelien des 2. bis 6. Jahrhunderts die Mutter Marias und damit die Großmutter Jesu Christi. Und weiter: Anat oder Anath („Vorsorge“, „Vorsehung“, „Himmelswille“) ist eine altägyptische und eine altsyrische Göttin des Krieges, Schutzgöttin gegen wilde Tiere. Neben ihrer Rolle als Kriegsgöttin fungiert Anat auch als Liebesgöttin. Wahrscheinlich ist diese Göttin ursprünglich nicht ägyptisch, sondern wurde durch vorderasiatische Immigranten nach Ägypten gebracht. Hatte also der symbolische Gott Vater, Zeus und alle anderen Gottes-Vorstellungen nicht weibliche Vorfahren?

    „Es ist sehr wichtig, solche Zusammenhänge nicht um des lieben Friedens willen zu verschweigen oder zu früh als nicht mehr wirksam auszugeben. Trotzdem meine ich, dass wir heute und hierzulande an einem Punkt angelangt sind, an dem es nicht mehr glaubwürdig ist, wenn wir uns weiterhin als hilflose Opfer des Patriarchats verstehen, die darauf angewiesen sind, dass die Unterdrücker ihnen massgeschneiderte Lösungen innerhalb des herkömmlichen Systems der Geldverteilung präsentieren.“ Wir Feministinnen sind mit den Gottes-Vorstellungen des Vaters mit der Keule durch. Ist aber unsere Gefühls-Aura auch frei davon?

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  1. Nach der Schweizer Volksabstimmung: Das bedingungslose Grundeinkommen als care-ökonomisches Projekt | DurchEinAnderBlog

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