Professor Schweigsam oder: mehr Luft!

WiC-Blogpost Nr. 26

Seit April 2016 ist der Verein WiC auf der Suche nach Wirtschaftswissenschaftlern und Wirtschaftswissenschaftlerinnen, die mit uns ins Gespräch kommen wollen. Hin und wieder haben wir über unsere Gesprächsinitiative berichtet, zum Beispiel hier und hier und hier und hier. Ich muss also nicht noch einmal wiederholen, worum es uns geht. Man kann alles, oder doch das Wichtigste, nachlesen. 

Weil wir den Überblick nicht verlieren wollen, haben wir unsere Korrespondenz vorerst auf Adressat*innen in Wissenschaftsbetrieben der deutschsprachigen Schweiz beschränkt. Als ich aber im Frühjahr 2018 bei einer Tagung in einer Stadt, die nicht in der deutschsprachigen Schweiz liegt, einen freundlichen Ökonomieprofessor kennenlernte, der nicht in der deutschsprachigen Schweiz forscht und lehrt, da dachte ich: Diese Gelegenheit könnte ich nutzen, um die Meinung eines unabhängigen Experten zu WiC und unserer Gesprächsinitiative einzuholen. Deshalb schrieb ich, kaum war ich wieder zuhause angekommen, eine Mail an meinen neuen Bekannten, den ich hier „Professor Schweigsam“ nennen möchte. Aus dieser Mail entwickelte sich die folgende Korrespondenz: 

12.03.2018 (nochmals gesendet am 21.03.2018)
Lieber Herr Professor Schweigsam,
Sie erinnern sich an den vergangenen Samstag? Ein Souvenir-Foto hänge ich an.
Ich möchte Ihnen eine Frage stellen:
Was halten Sie von dieser Geschichte? Und von diesem Text?
Wir hätten gern Ihren fachkundigen Rat: Wie sollen wir weiter verfahren?
Mit einem herzlichen Gruss
von Ina Praetorius

27.03.2018
Liebe Frau Praetorius,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Mails. Ich melde mich nach Ostern, wenn ich etwas mehr Luft habe.
Einstweilen wünsche ich Ihnen frohe Ostern!
Professor Schweigsam

25.04.2018
Lieber Herr Professor Schweigsam,
haben Sie immer noch keine Luft?
Wir haben Luft und sind deshalb einen Schritt weiter gegangen.
Was halten Sie von dieser Initiative?
Mit freundlichen Grüssen
von Ina Praetorius

11.06.2018
Sehr geehrter Herr Professor Schweigsam,
Sie hatten mir versprochen, sich nach Ostern noch einmal zu melden (vgl. Anlagen).
Die Sache nimmt ihren Lauf und scheint mir interpretationsbedürftig.
Ich hätte gern den Ratschlag eines unabhängigen Experten.
Mit freundlichen Grüssen
von Ina Praetorius

20.06.2018
Lieber Herr Professor Schweigsam,
Es ist mir und uns ernst mit unserem Anliegen, mit der Wirtschaftswissenschaft ins Gespräch zu kommen.
Deshalb lasse ich nicht locker.
Ich möchte von Ihnen, Herr Professor Schweigsam, eine Antwort auf die Frage, die ich Ihnen am 12. März und nochmal am 21. März 2018 gestellt habe und an die ich Sie inzwischen zweimal erinnert habe.
Sie finden unsere bisherige Korrespondenz in der Anlage.
Mit freundlichen Grüssen
von Ina Praetorius

10.07.2018
Lieber Herr Schweigsam,
Jetzt sind bald Sommerferien: Zeit zum Nachdenken und Aufarbeiten!
Ich freue mich auf Ihre Antwort auf meine Mail vom 12. März 2018!
Mit einem herzlichen Gruss
von Ina Praetorius

18.09.2018
Lieber Herr Professor Schweigsam,
Jetzt sind die Sommerferien längst vorbei, und Sie haben meine Fragen noch immer nicht beantwortet.
Vielleicht wissen Sie ja nicht, dass ich keine Hemmungen habe, Menschen, die sich allzu lange dem Gespräch verweigern, öffentlich zu denunzieren? 
Hier ein soeben erschienenes Exempel für diese Politik.
Sie könnten das Thema meines nächsten Blogposts werden.
Mit herzlichen Grüssen
von Ina Praetorius

25.06.2019
Lieber Herr Professor Schweigsam,
ist Ihnen aufgefallen, dass Sie meine Frage vom 12. März 2018 immer noch nicht beantwortet haben?
Es würde mich nach wie vor interessieren, was Sie von der Geschichte halten, die ich Ihnen damals erzählt habe.
Der erste runde Tisch zur Zukunft der Care-zentrierten Ökonomie hat am 25. Januar 2019 in St. Gallen stattgefunden. Hier finden Sie einen kurzen Bericht darüber.
Im Übrigen dürfte unsere etwas einseitige Korrespondenz inzwischen auch ohne Ihre Antwort interessant für meine Leser*innenschaft sein: als Exempel für die Gesprächs(un)kultur der Wirtschaftswissenschaften.  
Wenn Sie sich bis Ende Juni nicht bei mir melden, gehe ich davon aus, dass Sie nichts gegen die Publikation unserer Korrespondenz auf meinem DurcheinanderBlog einzuwenden haben.
Mit herzlichen Grüssen
von Ina Praetorius

Seit dem 27. März 2018 habe ich nichts mehr von Herrn Professor Schweigsam gehört. Lebt er noch? Ist er verschollen? Hat er ein Burnout? Findet er mich lästig? Bin ich eine Nervensäge (wenn ja, warum nicht?)? Weiss er nicht, was er sagen soll?

Es gibt nicht nur einen Professor Schweigsam. In der Typologie der WiC-Gesprächspartner*innen, die wir demnächst anzufertigen gedenken, werden die Nichtssager*innen eine eigene Kategorie bilden, neben den Gesprächigen, den Überforderten, den Vielzuvielbeschäftigten und, so hoffen wir, den konstruktiv Weiterdenkenden.

Herr Professor Schweigsam (Mitte) am Frauentag „Radikal umdenken“ des Evangelischen Bildungswerks Regensburg, 10. März 2018

Hinterlasse einen Kommentar

5 Kommentare

  1. BHS

     /  Juli 17, 2019

    Liebe Frau Praetorius,

    vielen Dank für Ihren immer interessanten Newsletter.

    In diesem Fall von Unachtsamkeit eines Herrn Schweigsam, glaube ich, hat es keinen Sinn, diese älteren Leute versuchen von ihren eingefahrenen, besitzstandswahrenden Einstellungen abzubringen. Sie werden keinen einzigen dieser sog. Experten dazu bringen, zu WiC positiv Stellung zu beziehen.

    Man kann nur hoffen, dass sich mit nachfolgenden, jungen Wirtschaftsleuten das ändert und WiC überhaupt in Betracht gezogen wird.

    Viell. sollten Sie mit positiv Denkenden und alternativen Gesellschaftsformen Beschreibenden Kontakt aufnehmen, die zumindest wissen, worum es Ihnen und Ihren Mitstreitern geht. zB David Graeber, Anders Indset (spricht gut deutsch), Michael Hirsch – Die Überwindung der Arbeitsgesellschaft, Harald Welzer.

    Bei diesen Autoren stößt man -wie ich annehme- zumindest auf offene Ohren und Sinne und kann annehmen, dass sie WiC verinnerlichen und die Unterstützung Ihres wichtigen Anliegens überall helfen, zu verbreiten. Außerdem warum sich mit solchen Leuten, wie Herrn Schweigsam rumärgern. Von denen kann man nichts anderes erwarten. Sie haben keinen Mut, sind Armleuchter und es ist verschwendete Zeit, sich mit so jemandem überhaupt. zu befassen.

    Beste Grüße und weiterhin frohes Schaffen! Brigitte Steitz

    Antworten
    • Liebe Frau Steitz, danke für den Gesprächsbeitrag! – Das ist gerade der Witz bei unserer WiC-Gesprächsinitiative: dass wir mit ganz verschiedenen Leuten ins Gespräch kommen und kommen wollen. Mit David Graeber (per Twitter) und Michael Hirsch (Face-to-face und per Mail) korrespondiere ich schon länger, auch mit den recht aufgeschlossenen Ökonomen Werner Vontobel (per Mail) und Mathias Binswanger (per Radio und Veranstaltungseinladungen) und natürlich mit zahlreichen gendersensiblen Ökonom*innen und (Wirtschafts-)Journalist*innen. Mit wem wir Kontakt pflegen, das ergibt sich oft per Zufall, wie zum Beispiel bei der Konferenz mit Herrn Professor Schweigsam, oder weil einer oder eine grad Lust hat, auf eines unser Anschreiben zu reagieren. Wir schliessen niemanden von vornherein aus, zum Beispiel weil wir finden, dieser oder diese Gesprächspartnerin sei sowieso verloren, da Armleuchter oder Klassenfeind. Auf diese Weise lernen wir die Vielfalt der Szene kennen, erleben Überraschungen, bauen eigene Vorurteile ab, verfeinern unsere Argumentation, verdichten unser Beziehungsnetz und haben Spass. Beste Grüsse zurück!

      Antworten
  1. Let’s Pull Down the Wall of Careless Economics, or: A Politics of Corresponcence – ConFusion
  2. Betriebswirtschaftslehre und Care-centered Economy: Keine Anknüpfungspunkte? | DurchEinAnderBlog
  3. Inkompetenz, Desinteresse, Schweigen, Verärgerung, Verunsicherung | DurchEinAnderBlog

Hinterlasse einen Kommentar