Bubblecrossing: Kochrezepte und Milliardenbeträge

WiC-Blogpost Nummer 53

Dies sind drei Überschriften aus dem „Handelsblatt“ vom 10. Februar 2022:

->Beispielloser Boom beim Auftragseingang: Siemens mit starkem Start ins neue Jahr
->Markt mit dreistelligem Milliardenvolumen: Douglas greift im Apothekengeschäft an 
->Hohe Kosten, teure Skandale, geringe Erträge: Credit Suisse fällt in die roten Zahlen zurück

„Brigitte online“ titelte am selben Tag:

->Das schmeckt! Diese fluffig-saftigen Apfel-Blondies sind in 15 Minuten zubereitet!
->Denkste! 5 Mythen über die perfekte Partnerschaft, die einfach nicht stimmen
->Angelina Jolie: So perfekt vereint sie Seriosität und Eleganz

Beautytipps und Milliardengeschäfte

Während die „Brigitte“ nach wie vor selbstverständlich als „Frauenzeitschrift“ gilt, nannte man das „Handelsblatt“ nie „Männerzeitung“. Warum nicht? Weil man uns schon damals, als es noch eindeutig eine war, beigebracht hat, dass alles, was Bosse sagen und tun, grundsätzlich für die gesamte Menschheit relevant ist: Zwischen „Mann“ und „Mensch“ gibt es im westlichen Patriarchat konzeptionell keine Differenz, weshalb Ereignisse aus der traditionell von Männern besetzten Geldsphäre – Milliardengewinne, geringe Erträge teure Skandale … –  wie selbstverständlich die allgemeinen Nachrichten füllen, als hinge das Überleben der Menschheit davon ab, während Frauengedöns stets in speziell gekennzeichneten Nischen stattfindet. Neuerdings ist auf den Titelseiten von „Wirtschaftswoche“ und „Handelszeitung“ zwar hin und wieder eine Blazerträgerin zu sehen. Das ändert aber vorläufig nichts daran, dass „Weiblichkeit“ (fast) unauflöslich mit Strickmustern, Wohnaccessoires, Kita-Öffnungszeiten und ein bisschen verführerischer Protestlaune verknüpft bleibt. Solange wir nicht begriffen haben, dass und wie genau die patriarchal organisierte Gesellschaft auf das Anhängsel „Frau“ angewiesen ist, wird das auch so bleiben.

Systemrelevanz und Bullshit

Zwei Buzzwords, die in den vergangenen Jahren in Umlauf gesetzt wurden, eröffnen einen Ausweg aus der festgefahrenen Konstellation aus menschheitlich verallgemeinertem Maskulinum und privatisierter Weiblichkeit: der Bullshit-Job und die Systemrelevanz. Aus zwei Richtungen, gewissermaßen von oben und von unten gleichzeitig, bringen diese beiden Neologismen das vermeintlich von Ewigkeit zu Ewigkeit unvermischte und ungetrennte Ehepaar Handelsblatt und Brigitte durcheinander: David Graebers Berichte über eine gerade in hochdotierten Positionen allgegenwärtige deprimierende Nutzlosigkeit haben die oberen Business-Etagen entmythologisiert. Nur wenig später hat die Corona-Pandemie uns allen vor Augen geführt, wer im Ernstfall die wirklichen Leistungsträger*innen sind. Zwar wäre noch zu klären, für welches System die nun nicht mehr marginalisierbare, sich transformierende Weiblichkeit denn eigentlich relevant sein will. Dass Handelsblatt und Brigitte zu einem fluffig-saftigen postpatriarchalen Medium fusionieren sollten, in dem  das Ganze einer enkeltauglichen Wirtschaft in allen seinen Dimensionen verhandelt wird, erkennt, wer erkennen will, schon heute.